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FH Diagnostik

Die Diagnostik erfolgt anhand der Klinik, klassischer Laborbefunde und mit molekulargenetischen Methoden. Eine FH ist wahrscheinlich, wenn das LDL-C über 190 mg/dl (bei Kindern über 155 mg/dl) ist, Sehnenxanthome vorliegen und die Hälfte der Verwandten ersten Grades ebenfalls erhöhtes LDL-C aufweisen.

Für die klinische Diagnose der FH gibt es Punkteschemata wie den in Tabelle 1 dargestellten Dutch Clinic Lipid Network (DCLN) Score. Sie erleichtern die Diagnostik im Vorfeld der molekulargenetischen Untersuchung, mit der die Diagnose definitiv gestellt werden kann:
9 und mehr Punkte: Diagnose sehr wahrscheinlich
6 bis 8 Punkte: Diagnose wahrscheinlich
3 bis 5 Punkte: Diagnose möglich 

Tabelle 1: Punkteschema für die klinische Diagnostik der familiären Hypercholesterinämie

Kriterium Punkte
Familienanamnese
Verwandter ersten Grades mit frühzeitiger KVE oder LDL-C > 95. Perzentile
1
Verwandter ersten Grades mit Xanthomen oder Arcus lipoides oder Kinder unter 18 Jahren mit LDL-C > 95. Perzentile
2
Anamnese
frühzeitige KHK
2
frühzeitige CVE oder pAVK
1
Untersuchung
Sehnenxanthome
6
Arcus lipoides (< 45)
4
LDL-C
> 328 mg/dl
8
250–328 mg/dl
5
193–259 mg/dl
3
155–193 mg/dl
1
Genetik
Mutationsnachweis
8

Erwachsene (ab 18 Jahren):

Bei Erwachsenen sollte der DLCN Score angewandt werden. Patienten mit einem Score von ≥6 Punkten (“FH wahrscheinlich”) können ins österreichische FH-Register eingeschlossen werden. Ist der Patient bereits mit Statinen und/oder Ezetimibe behandelt, wird entsprechend folgender Tabelle (Copyright: Th. Stulnig 2016) auf den ursprünglichen Wert rückgerechnet. Für Ezetimibe wird eine 15% Reduktion einberechnet. Rückrechnung LDL-C unter Behandlung:

LDL-C (unbehandelt) = LDL-C (behandelt) • (EZE+ • 1,2)

Dosis Prava Fluva Simva Atorva Rosuva EZE + Atorva EZE + Rosuv a
10 mg
1,3
1,4
1,5
1,8

1,7

2,1

20 mg
1,4
1,2
1,4
1,7
2,0

2,0

2,4

40 mg
1,4
1,3
1,6
1,9
2,3

2,3

3,0

80 mg
1,4
1,8
2,0

2,4

  • größer 330 mg/dl = 8 Punkte
  • 251 mg/dl – 330 mg/dl = 5 Punkte
  • 191 mg/dl – 250 = 3 Punkte
  • 155 mg/dl – 190 mg/dl = 1 Punkt
  • kleiner 155 mg/dl = 0 Punkte
  • Sehnenverdickungen durch Fetteinlagerung (= Sehnenxanthome) = 6 Punkte
  • Weißliche ringförmige Verfärbung am Außenrand der Iris (=Arcus cornealis) bei Personen unter 45 Jahren = 4 Punkte

Alle Punkte dieser Kategorie werden addiert.

  • Dokumentierte frühzeitige* Koronare Herzkrankheit = 2 Punkte 
  • Dokumentierte Gefäßerkrankung des Gehirns bzw. der hirnversorgenden Arterien ODER der Arm- bzw. Beinarterien = 1 Punkt

*Frühzeitig bedeutet in diesem Fall bei Frauen unter 60 Jahre bzw. bei Männern unter 55 Jahren.

Alle Punkte dieser Kategorie werden addiert.

  • Eigenes Kind (jünger als 18 Jahre) mit LDL-Cholesterin von größer 153 mg/dl bei Mädchen oder 130 mg/dl bei Jungen ODER Verwandte 1. Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) mit Sehnenxanthomen = 2 Punkte
  • Erwachsene Verwandte 1. Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) mit einem LDL größer 190 mg/dl ODER Verwandte 1. Grades mit dokumentierter Gefäßerkrankung des Herzens, des Gehirns bzw. der hirnversorgenden Arterien oder der Arm- bzw. Beinarterien = 1 Punkt


Alle Punkte dieser Kategorie werden addiert.

Nachweise einer FH Mutation = 8 Punkte

Kinder (bis 18 Jahre):

„Simon Broome Criteria“ zur Diagnosestellung FH:

Gesicherte Diagnose FH:
Konzentration von Gesamt-Cholesterin über 292 mg/dl oder LDL-Cholesterin über 190 mg/dl bei Erwachsenen Konzentration von Gesamt-Cholesterol über 260 mg/dl oder LDL-Cholesterol über 155 mg/dl bei Kindern unter 18 Jahre

PLUS:
Sehnen-Xanthome beim Patient oder Verwandtschaft 1. (Eltern, Geschwister, Kind) bzw. 2. Grades (Großeltern, Tante, Onkel)

ODER:
DNA Ebene Nachweis einer funktionellen Mutation an LDLR, ApoB oder PCSK9

Verdacht auf Diagnose FH:
Konzentration von Gesamt-Cholesteino über 292 mg/dl oder LDL-Cholesterol über 190 mg/dl bei Erwachsenen Konzentration von Gesamt-Cholesterin über 260 mg/dl oder LDL-Cholesterol über 155 mg/dl bei Kindern unter 18 Jahre

PLUS:
Myokardinfarkt in der Familie vor dem 50. LJ bei Verwandtschaft 2. Grades oder vor dem 60. LJ bei Verwandtschaft 1. Grades

ODER:
in der Verwandtschaft erhöhtes Gesamt-Cholesterin über 292 mg/dl in Erwachsenen 1. und 2. Grades Verwandtschaft oder über 260 mg/dl in Kindern oder Geschwistern unter 18 Jahre

Kriterien zur Diagnosestellung familiäre Hypercholesterinämie im Kindesalter:

  • Positive Familienanamnese und hohes Cholesterin haben den stärksten Impact auf die Diagnosestellung
  • Erhöhtes LDL-C ist für die Diagnosestellung entscheidend
  • Sekundäre Ursachen der FH müssen ausgeschlossen werden
  • Wenn ein Elternteil an einer kardiovaskulären Erkrankung verstorben ist, soll das Kind auch bei nur moderat erhöhten Cholesterin-Werten genetisch auf FH und auf Lp(a)-Erhöhung getestet werden.

 

Diagnosestellung FH: (Referenz-Werte gelten für JEDES ALTER!)

  • Sehr wahrscheinlich:
    LDL-C ≥ 190 mg/dL in 2 Untersuchungen nach 3 Monaten fettmodifizierter Diät
  • Wahrscheinlich:
    LDL-C ≥160 mg/dL + positive Familienanamnese bei engen Verwandten für frühzeitige kardiovaskuläre Erkrankungen (Männer <55 Jahre, Frauen<60 Jahre) und/oder hohe Cholesterin-Werte eines Elternteils
  • Verdacht:
    LDL-C ≥130 mg/dL, wenn ein Elternteil einen genetischen Defekt aufweist Diagnosebestätigung durch Vorliegen einer pathogenen LDL-R


Mutation

Genetische Testung bei allen Kindern, wenn eine pathogene Mutation bei einem Elternteil bestätigt ist!

  • Screening der FAMILIE eines Patienten mit FH inkl. Abklärung des Lipidstatus + Genetik

Nur aufgrund der Lipidbefunde wird die Diagnose FH in der allgemeinen Bevölkerung zu häufig gestellt. Nur etwa ein Zehntel aller Patienten mit isolierter Erhöhung des LDL-C (Typ IIa HLP) haben tatsächlich eine FH. Differentialdiagnosen sind vor allem die familiär kombinierten HLP und die “polygene” Hypercholesterinämie. Andererseits wird innerhalb der betroffenen Familien die Diagnose FH zu selten gestellt, da andere genetische und Umwelteinflüsse bei Merkmalsträgern den Rezeptordefekt partiell kompensieren können und dann „normale“ Cholesterin-Konzentrationen gefunden werden.

Neben der Gendosis beeinflusst auch die Art des Rezeptordefekts die Ausprägung der Hypercholesterinämie. Schwere Defekte sind gekennzeichnet durch das völlige Fehlen des Rezeptorproteins, während bei leichteren Defekten noch eine vergleichsweise hohe Restaktivität des mutierten LDL-Rezeptors nachgewiesen werden kann. Insbesondere beim heterozygot Erkrankten hängt der klinische Ausprägungsgrad stark von weiteren genetischen und Umwelteinflüssen ab.

Für die molekulare Diagnostik der FH sprechen folgende Argumente:

  • Nach Identifizierung des genetischen Defekts in einer Familie können Mutationsträger unter den Angehörigen identifiziert werden. Insbesondere betroffene Kinder haben häufig ein niedriges LDL-C, sodass die Diagnose ohne molekulargenetische Untersuchung übersehen wird.
  • Bei Patienten mit gesicherter FH wird das Risiko für Koronarkrankheit bei Anwendung üblicher Risiko-Algorithmen (PROCAM, Framingham Score) deutlich unterschätzt.
  • Die Detektion der Erkrankung im Kindes- und Jugendalter ermöglicht eine rechtzeitige Therapie.
  • Das Wissen um die Diagnose steigert erwiesenermaßen die Therapietreue des Patienten.
  • Die Kenntnis des molekularen Defekts erlaubt eine Stratifizierung und individuelle Anpassung der Therapie.